Versammlung der evangelischen Kirchengemeinde
Am Ende bleibt nur der Glaube
Foto: Heiko Wiegand Knapp 100 Menschen kamen am vergangenen Donnerstag in die St. Nicolai-Kirche, um sich über Details der Causa Lochner informieren zu lassen.Westerland. Die Sache mal von außen betrachtet, mit Abstand und ohne Emotionen, dafür mit dem Ziel, sich dieser Sache, diesem Problem wenigstens im Ansatz zu nähern, einem Problem, das offensichtlich seit geraumer Zeit viele Menschen in Westerland und darüber hinaus beschäftigt und bewegt. Und über eben dieses Problem soll berichtet werden. Es geht um Anja Lochner, die seit 26 Jahren als Pastorin in der evangelischen Kirchengemeinde Westerland arbeitet. Und es geht um die Frage, warum sie sich vergangenen Sonntag in einem Gottesdienst in Wenningstedt von dieser Kirchengemeinde in Westerland und von Sylt insgesamt verabschiedet hat, obwohl sie das bis vor einigen Monaten offensichtlich gar nicht vor hatte.
Viel wurde in Westerland über eben dieses Thema geredet, offen und hinter vorgehaltener Hand, wie das so ist in kleinen, überschaubaren Gemeinden, in denen man sich kennt und in denen sonst in diesen Wochen nicht übermäßig viel passiert. Die Kirchengemeinde hatte für den vergangenen Donnerstag zu einer Gemeindeversammlung eingeladen, an der nicht nur interessierte Mitglieder eben dieser Gemeinde teilnehmen konnten, sondern – der öffentlichen Relevanz wegen – auch andere Interessierte. In dieser entsprechend öffentlichen Versammlung sollte es um Aufklärung gehen. Man hatte Informationen angekündigt und Hintergründe über einen offenbar schon seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen Anja Lochner auf der einen Seite und Mitgliedern des Kirchengemeinderats mit Pastor Simon Ulrich an der Spitze sowie offensichtlich auch Mitarbeitern der Kirchengemeinde auf der anderen Seite. Die Gemengelage interessierte viele Menschen, es kamen sicher knapp 100 in die St. Nicolai-Kirche, um sich informieren zu lassen über die Personalprobleme in der Kirchengemeinde.
Man musste an diesem Abend Geduld mitbringen für eine Annäherung an diese Causa Lochner. Zuerst berichtete Melanie Jacobsen, stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderates, en detail und über eine halbe Stunde über die Genese eines Konflikts, der bereits im vergangenen Jahr Fahrt aufnahm.
Jacobsen berichtete über eine Befragung von Mitarbeitern der Kirchengemeinde zur Zufriedenheit auf ihrem Arbeitsplatz. Die Ergebnisse dieser Befragung führten dazu, „dass wir Dinge gelesen haben, die uns sehr schockiert haben, die schwer auszuhalten waren“. Und bereits vor dieser Befragung, so berichtet sie weiter, habe es Mitarbeiter und auch Pastoren gegeben, die die Kirchengemeinde verlassen und in diesem Zusammenhang den Konflikt mit Anja Lochner genannt hätten.
„Offen und ehrlich“ (Melanie Jacobsen) hat sich der Kirchengemeinderat diesem Problem gestellt und suchte das Gespräch mit Anja Lochner, denn den Mitgliedern des Gremiums wurde immer klarer, dass man keinen weiteren Weg der Zusammenarbeit mehr sah. Pröpstin Annegret Wegner-Braun vom Kirchenkreis Nordfriesland wurde eingeschaltet. Sie bat die Mitglieder des Kirchengemeinderats darum, mit Anja Lochner ins Gespräch zu kommen. Ansonsten aber zu schweigen und mit niemand weiterem darüber zu sprechen. Denn erstens handele es sich hierbei um eine Personalsache, weswegen das Problem nicht in die Öffentlichkeit gehöre. Andererseits solle geschwiegen werden, weil Anja Lochner mit der nötigen Diskretion alle Optionen für ihre Zukunft offengehalten werden sollten.
Es kam im weiteren Verlauf der Entwicklung in den letzten Monaten des Jahres 2022 zu insgesamt drei Gesprächen. Und im letzten Treffen zwischen der Pastorin und Vertretern des Kirchengemeinderats „wurde Frau Lochner in allen Einzelheiten erzählt, auf welchen Ebenen wir Probleme sehen“, berichtete Melanie Jacobsen.
An eben dieser Stelle endet die Erzählung des Autors von dieser Sache. Das Ergebnis ist zwar klar: Anja Lochner verlässt die Insel und ist am Sonntag in Wenningstedt verabschiedet worden. Aber die Öffentlichkeit und damit die Mitglieder der evangelischen Kirchengemeinde Westerland haben nie erfahren, „wo nun genau der Konflikt lag zwischen Frau Lochner und dem Kirchengemeinderat“, wie eine Besucherin der Gemeindeversammlung lakonisch formulierte.
Niemand außer den unmittelbar Beteiligten kann sich also eine eigene Meinung bilden über diesen nicht gelösten Konflikt, der bekanntlich in der Trennung endete. Dies wird mutmaßlich auch so bleiben.
Nun bleibt den Mitgliedern der Gemeinde nichts anderes übrig, als den Verantwortlichen zu vertrauen, dass diese einen Weg finden, um die Gemeinde wieder zu einen und ihr einen guten Weg in die Zukunft zu öffnen. Dies wird in Ermangelung von Wissen um die Ursachen und Details des Problems schlicht eine Glaubensfrage sein. Aber ist nicht genau das die Kernkompetenz einer evangelischen Kirchengemeinde?
Geschrieben von: Heiko Wiegand / veröffentlicht am: 28.03.2023