Die Vergangenheit befrieden und keine Luftschlösser bauen
Zweiter Vorschlag liegt vor

Sylt. (red.) Mit dem Vorstoß von Peter Peters stellt sich ein weiterer Lösungsvorschlag für die Baurechtskrise der Öffentlichkeit. Das Interesse ist groß. Die Thematik ist mittlerweile offenkundig deutlich im Bewusstsein der Insulaner präsent und der Druck im Kessel steigt. Sylter und Eigentümer verlangen nach einer Marschrichtung, einer Lösung und einer Perspektive.
Begrüßenswert ist, dass aus der Wirtschaft – und insbesondere von Unternehmern mit einschlägiger Erfahrung in der Immobilienwirtschaft – Vorschläge zum Umgang mit den gravierenden und wegweisenden Fragestellungen der Gestaltung des Baurechts kommen. Es ist zugleich verwunderlich, dass bislang aus der Politik und Gemeindeverwaltung keine konkreten und umfassenden Konzepte mit zukunftsweisenden Regelungsvorschlägen aufgezeigt wurden.
Beschäftigen sich die Parteien und die Verwaltung nicht ausreichend mit diesem so wichtigen Thema? Wird hinter verschlossenen Türen beraten? Oder hat die Sylter Kommunalpolitik Angst, Farbe zu bekennen?
Die baurechtliche Planungshoheit für Grundstücke liegt bei der jeweiligen Gemeinde. Diese kann durch die Ausgestaltung der Bebauungspläne festlegen, welche Anzahl von Wohneinheiten mit welcher Nutzungsart genehmigt werden soll.
Mittlerweile ist klar geworden, dass die Insel nicht auf Gästebetten verzichten kann. Die aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland wird sich in Kürze auch in den Haushalten der Sylter Gemeinden widerspiegeln – so zeigen es die zu erwartenden Schätzungen der zukünftigen Einnahmen. Die Insel kann sich, mit Hinblick auf die anstehenden Investitionsaufgaben, weniger Betten im Bestand gar nicht erlauben, will sie alle beschlossenen Maßnahmen umsetzen.
Die lautstarke Devise sollte daher eigentlich lauten: „Retten, was zu retten ist!“
Von daher ist der Vorschlag von Peter Peters für die Heilung der Vergangenheit genau richtig. Offenkundig war in der Regel weder dem Kreis, der Gemeinde noch dem Immobilieneigentümer klar, welche Nutzung durch den Begriff „Wohnung“ genehmigt gewesen sein sollte – und welche nicht. Warum könnten dann die aus heutiger Sicht nicht richtig genehmigten Bestände nicht einfach geheilt werden, indem beschlossen wird, dass in den betroffenen Wohneinheiten alle drei Nutzungsarten gleichberechtigt zulässig sind? So könnten Eigentümer die tatsächlich vorherrschende Nutzung genehmigt bekommen: Dauer-, Zweit- und Ferienwohnungen.
Irgendwann muss auf Sylt eine Entscheidung getroffen werden. Die Vergangenheit immer wieder auseinanderzukratzen und jahrzehntelange Fehlentwicklungen rückgängig machen zu wollen, ist höchstwahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Im Zweifel kann sogar das Gegenteil von dem bewirkt werden, was allgemeiner Konsens zu sein scheint: die Insel lebenswert zu erhalten und zu einem noch lebenswerteren Ort zu machen. Eine befriedete Vergangenheit und vor allem positive Zukunftsaussichten gehören dazu.
In der Befriedung der Vergangenheit und der Notwendigkeit, die Lebensgrundlagen der Insel zu stabilisieren, sind sich die Lösungsansätze der Sylt-Charta und von Peter Peters grundlegend ähnlich.
Wenn es darum geht, wie Dauerwohnraum in Zukunft geregelt werden soll, gibt es unterschiedliche Ideen. Peter Peters schlägt eine Lösung vor, die auf den ersten Blick gut klingt: In Bebauungsplänen soll festgelegt werden, dass jedes Gebäude einen bestimmten Anteil an Dauerwohnraum haben muss. Ob das in der Praxis zum erhofften Ergebnis führt, bleibt aber fraglich.
Aus welchen Gründen die Dauerwohnauflage in einem B-Plan künftig positivere Wirkung als heute entfalten sollte, nachdem sie über Jahrzehnte nicht funktioniert hat, bleibt ungewiss. Verpflichtende Dauerwohnquoten erinnern an planwirtschaftliche Ansätze und bleiben mangels wirtschaftlicher Grundlage (in Deutschland zumindest) ein Papiertiger. Angebot und Nachfrage regulieren die Marktpreise – und dort, wo Fläche ein knappes Gut ist, bleiben die Preise auf einem hohen Niveau.
Die Forderung nach Dauerwohnquoten erzeugt das vermeintlich gute Gefühl, „das Richtige“ zu tun und die Insel zu retten. In der wirtschaftlichen Realität wird durch diese Quoten so gut wie kein einziger bezahlbarer Dauerwohnraum für Sylter geschaffen – geschweige denn modernisiert oder erfolgreich an die nächste Generation vererbt werden können.
Die Entscheidungsgremien, auf deren Linie sich Peter Peters mit seiner Forderung bezieht, sollten der Öffentlichkeit transparent darlegen, wie die Dauerwohnraum-Quote künftig wirkungsvoll umgesetzt werden soll – einschließlich einer nachvollziehbaren Berechnung. Und es sollte erhoben werden, wie viele baurechtliche Dauerwohnungen nachhaltig als Wohnraum für Sylter mit relevanten Mieten um bis zu 15 Euro zur Verfügung stehen werden.
Das Ergebnis dürfte vernichtend ausfallen.
Dauerwohnauflagen zu fordern, ohne die Realität zu prüfen oder aus früheren Erfahrungen zu lernen, ist nicht durchdacht. An starren Vorgaben in Bebauungsplänen festzuhalten, ist eine Form von Selbsttäuschung.
Innovative Ideen müssen her. Die Zukunft der Insel wird es danken, wenn Fehler und unwirksame Instrumente nicht erneut als Heilmittel für bezahlbaren Wohnraum angedacht würden.
Dass die Sylter Seele reif ist für einen modernen Ablasshandel nach funktionierendem spanischem Vorbild – bei dem man baurechtliche Missstände gegen Zahlung einer Abgeltung für gute Zwecke heilen kann – ist unwahrscheinlich. Die Sylt-Charta hatte diese Einmalzahlung als einen Baustein für die Finanzierung von Dauerwohnraum ins Spiel gebracht. Der zweite Finanzierungsbaustein ist eine dauerhafte Quadratmeter-Abgabe, die jeder Ferienwohnungseigentümer monatlich leisten muss, um bezahlbare Dauermietwohnungen des KLM (Kommunales Liegenschaftsmanagement) zu subventionieren und Bauland auf Erbpacht für Sylter auszuweisen. Im Gegenzug soll der Realität Rechnung getragen werden, indem auf eine funktionsfreie Dauerwohnauflage verzichtet wird.
Der Lösungsvorschlag der Sylter Unternehmer folgt der belegbaren Erkenntnis, dass bezahlbarer Dauerwohnraum ohne Subventionen oder Gönnerschaft Dritter nicht mehr geschaffen und kaum mehr vererbt werden kann. So zeigen es auch aktuelle politische Beschlüsse zur Subventionierung aktueller KLM-Neubauten, um überhaupt in gewissen Bereichen zahlbare Mieten gewährleisten zu können. Die Sylt-Charta mag in ihrer Forderung nach einer Aufgabe der Dauerwohnraumquoten gegen Zahlung monatlicher „Dauerwohnraumabgaben“ radikaler wirken als eine nicht funktionierende Forderung nach Dauerwohnraumquoten. Diese Erkenntnis ist grundlegend, wenn auf Sylt spürbar noch mehr bezahlbarer Mietwohnraum und ein weiteres Absacken der Eigentumsquote der Sylter erreicht werden soll.
Die Bevölkerungsstruktur der Insel hat bekanntermaßen Schlagseite. Nichts Geringeres als die wirtschaftliche, touristische und lebenswerte Zukunft der Insel steht auf dem Spiel. Über die Zukunft sollten keine emotional gefärbten Wunschvorstellungen entscheiden, sondern nachvollziehbare und vernunftgeleitete Überlegungen – auch wenn diese unbequeme Entscheidungen erfordern. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Thema weiterentwickeln wird.
Geschrieben von: Redaktion / veröffentlicht am: 06.04.2025